NARRISCH SCHÖN

21. bis 23. Oktober 2014: Auktionswoche mit Alten Meistern, Gemälden des 19. Jahrhunderts, Antiquitäten und Juwelen


Auktion 21. Oktober 2014
AUFTRITT DER NARREN
Alte Meister aus dem Norden


Bizarr und surreal wie Bosch, malerisch virtuos wie berühmte Zeitgenossen: Frans Verbeecks Großformat „Der Narrenhandel (Satire auf die menschliche Torheit)“ ist aus vielen Gründen das Aushängeschild der Dorotheum-Auktion mit Alten Meistern am 21. Oktober 2014, taxiert mit 900.000 bis 1.200.000 Euro.

Alexander Wied schreibt über die äußerst komplexe Ikonographie des Werkes:
„In einer offenen, wiesenbegrünten Landschaft handeln unter einem großen Baum Kaufleute mit zahlreichen kleinen Männchen. Diese sind zum Teil durch ihre Kappen und Schellen als Narren zu erkennen. Diese Handelsszene kann nur als Allegorie zu verstehen sein: Sie verbildlicht wohl, dass menschliche Torheit immer im Umlauf und somit unausrottbar ist – eine Satire auf die Narrheit der Menschen.
Im Vordergrund sitzen Kaufleute an einem Tisch und wiegen kleine Narren, während ein Wanderkrämer und seine Frau aus Sack und Körben weitere anbieten. Der Krämer ist wie mit einer Trense geschirrt und hat an der Stirn einen kleinen Narren sitzen, der mit dem Hammer auf die bekannte Steinoperation anspielt. Die operative Entfernung eines Steins aus der Stirn war ein von Hieronymus Bosch ausgehendes Bildthema, das im 16. und 17. Jahrhundert in zahlreichen Variationen verbreitet war. Die Botschaft ist einfach: Dummheit lässt sich operativ nicht entfernen, die Operation ist nutzlos, also ebenfalls närrisch.
Genauso närrisch ist ein links der Hauptszene zu sehendes Pilgerpaar, das in Anbetung vor einem alten Narrenpaar niederkniet. Die Närrin säugt und füttert gleichzeitig einen kleinen Narren mit Brei. Kritisch in den Blick gerät auch der Klerus: Das Liebespaar rechts am Bildrand ist als Mönch und Nonne erkennbar. Sie sind dem Kloster entsprungen und frönen der Liebesnarretei.

Anregung oder Anleitung zu vielen anspielungsreichen, rebusartigen Details findet der Betrachter in den satirischen Reimtexten der Rhetorikergilden, der „Rederijkers“ (vergleichbar etwa mit den heutigen Karneval- und Faschingsrednern), in denen Untugenden und Torheiten aufs Korn genommen wurden. Die im Bild angebrachten Schrifttäfelchen beinhalten möglicherweise kurze Sentenzen aus solchen Rederijker-Texten, sind aber kaum mehr lesbar. Ein Beispiel: Über dem Reigentanz rechts im Hintergrund hängt ein Käfig mit einem Narren; er sitzt auf einem großen Ei, aus dem ein kleiner Narr schlüpft – ein Verweis auf das Sprichwort „men mag geen zot eieren laten uitbroeden“ („Man lasse keinen Narren Eier ausbrüten“), d. h. Narren brüten nur wieder Narren aus."

Die gut erhaltene Holztafel „Küstenlandschaft mit Fischmarkt“ von Jan Brueghel I. gibt auf atmosphärisch dichte Weise das Treiben auf einem Fischmarkt inmitten einer geheimnisvollen Meereslandschaft wider (€ 200.000 – 300.000).

Der „Hochzeitstanz im Freien“ in bäuerlicher Umgebung ist ein sehr beliebtes Thema der Brueghel-Malerfamilie. Ein seltenes, vermutlich vor 1616 in Antwerpen entstandenes Tondo mit diesem Motiv steht bei der Auktion zur Wahl. Pieter Brueghel II. hat das Vor-Bild seines Vaters virtuos variiert, präsentiert die feiernde Gesellschaft ohne die (väterliche) Moralkeule. Er fügt Landschaftsteile hinzu, lässt die Hochzeitsgeschenke weg  (€ 200.000 – 300.000).

DEFILEE DER SCHÖNHEITEN
Alte Meister aus dem Süden


Eine besondere Bewandtnis hat es mit zwei im Dorotheum offerierten Frauenporträts von Pietro Antonio Rotari. Solche Bildnisse junger Frauen erfreuten sich im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit und machten auch den Künstler Pietro Antonio Rotari europaweit bekannt. Als Porträtmaler reüssierte der Sohn einer aristokratischen Familie an den Höfen in Dresden, Wien und St. Petersburg durch seine subtile Farbgebung und die genaue Beobachtung menschlicher Gemütszustände. In Russland erhielt er den Auftrag, für die Schönheitengalerie Porträts von jungen Frauen anzufertigen, die die Vielfalt der russischen Völker repräsentieren sollten. Rotari fertigte 360 Bildnisse russischer Frauen für Zarin Elisabeth an – und 50 weitere Porträts, die die Zarin der Russischen Kunstakademie schenkte. Die Gemälde der Zarin waren für Schloss Peterhof bestimmt. Der Charme dieser Porträts kommt zweifellos jenen von Greuze oder Chardin nahe. Das „Bildnis einer jungen Frau mit Haube“ sowie das „Bildnis einer jungen Frau in bäuerlicher Tracht“ ist jeweils mit 80.000 bis 120.000 Euro bewertet.

Auch Allegorien wurden einst mit Schönheiten gecastet, in der aktuellen Auktion stehen die Vergänglichkeit und die Malerei als Models: Paris Bordone, im Kolorit seiner Bilder ähnlich unverwechselbar wie sein Lehrer Tizian, stellt Vanitas als prächtige, nachdenkliche Frau mit Spiegel dar, flankiert vom Alter in Person einer alten Frau. Bernardo Cavallino setzt die natürlich weibliche junge Malerei, höchstwahrscheinlich inspiriert von einem Bild von Artemisia Gentileschi, mit der Dichtkunst in Beziehung. Seine Neuinterpretation lässt die Malerei einen normalerweise der Poesie zugeschriebenen Lorbeerkranz tragen (€ 180.000 – 220.000).

Die Allegorie der Stärke und der Mäßigung von Pietro Liberi zeigt unter anderem einen zahmen Löwen, dessen Kopf auf den Beinen einer Schönheit ruht. Schönheit und Alter thematisiert auch die bereits zu Lebzeiten hoch gefeierte Malerin Lavinia Fontana. Eine edle Dame mit alter Magd hält ein Hündchen, Symbol ehelicher Treue. Das zweite Bildnis mit einer Witwe könnte die selbe Frau im höheren Alter darstellen. Das sie flankierende Kind greift den Apfel in ihrer Hand, symbolisch für das künftige Erbe ihres Sohnes (jeweils € 120.000 – 180.000).

Mit keinem geringeren Bild als mit dem in den Uffizien befindlichen können „Die sieben Werke der Barmherzigkeit (Madonna del Popolo)“ von Federico Barocci die in der Auktion angeboten zwei Frauenporträts in Verbindung gebracht werden. Beide haben starke Ähnlichkeit mit dargestellten Figuren am berühmten Altarbild (je € 80.000 – 120.000).

Als ewige Schönheit gilt außerdem die Serenissima, Venedig, Bildmotiv für sämtliche Malergenerationen. Besonders idyllisch der gondelgefüllte Canale Grande sowie der Bucintoro, das Staatsschiff der Dogen, vor dem Hintergrund des Dogenpalastes, allesamt in Szene gesetzt von Apollonio Domenichini (je € 120.000 – 180.000). Weitere bedeutende Bilder der Auktion stammen von Jusepe Ribera und Giuseppe Vermiglio (€ 80.000 – 120.000, € 150.000 – 200.000).

Auktion 23. Oktober 2014
STIMMUNGSVOLLER HERBST
Gemälde des 19. Jahrhunderts


Rund 250 Werke umfasst die Auktion von Malerei des 19. Jahrhunderts am 23. Oktober 2014. Österreichisches ist hier genauso vertreten wie internationale Künstler, allen voran Italienisches, aber auch russische Künstler, wie Alexei Michailovich Korin oder Constantin Jegorowitsch.

Olga Wisinger-Florians stimmungsvolle Herbstlandschaft führt die Liste bei den österreichischen Künstlern an. Mit 80.000 bis 120.000 Euro ist das in der Auktion angebotene Ölgemälde aus deutschem Privatbesitz bewertet. Emil Jakob Schindler ist ebenso vertreten (Aus Haslau an der Donau, € 50.000 – 70.000) wie Friedrich Gauermann, der mit seinem „Pflügen und Eggen im Salzburgischen“ auch Ausblicke auf die umgebende Gebirgslandschaft mit aufziehenden Wolken gewährt (€ 60.000 – 80.000).

Franz Richard Unterbergers atmosphärische Gemälde, vor allem seine Italien-Ansichten, verhalfen dem Künstler schon früh zu großer Bekanntheit. In der Dorotheum-Auktion wird sein „Castellmare Golfo di Napoli“, ein großformatiges Ölgemälde, das im Hintergrund die Silhouette des Vesuvs zeigt, mit einem Schätzwert von 40.000 bis 60.000 Euro versteigert. Mit 50.000 bis 70.000 Euro geschätzt ist die „Große Landschaft in Tirol“ von Thomas Ender. Seine topografisch genauen Gemälde brachten ihm Aufträge aus dem österreichischen Kaiserhaus, 1828 wurde er Kammermaler Erzherzogs Johanns, das vorliegende Gemälde stammt wohl aus jener Zeit.

Italienisches bietet Conrad Hoff mit seiner Venedig-Ansicht (€ 25.000 – 35.000); versteigert werden auch Arbeiten von Vincenzo Irolli („Die Kommunion“, € 70.000 – 90.000) oder Fausto Zonaro. Vom schottischen Maler Arthur Melville wird erstmals ein Werk in einer Dorotheum-Auktion angeboten: Für die 1880 datierte und signierte, mehrfach ausgestellte und auch publizierte Marktszenerie „Old Enemys“ mit der Darstellung eines furchtsamen kleinen Mädchens, das vor den Truthähnen Schutz bei der Mutter sucht, erwartet sich das Dorotheum 30.000 bis 40.000 Euro.

GOLDRICHTIG
Antiquitäten, Auktion 22. Oktober 2014


Echtes oder vorgetäuschtes Gold scheint der Stoff der Träume vieler Antiquitäten des 18. und 19. Jahrhunderts gewesen zu sein, die am 22. Oktober versteigert werden. Auf glänzendem Goldgrund kommt der handbemalte Blumendekor auf dem 1788 bis 1799 produzierten 31-teiligen Kaffee- und Tee-Porzellanservice der Wiener Kaiserlichen Manufaktur perfekt zur Geltung. In seiner Geschlossenheit und im perfekten Erhaltungszustand eine Rarität! (€ 100.000 – 150.000)

Feuervergoldet und in Bronze präsentiert sich eine Pariser Vase von Pierre-Philippe Thomire, auf deren Basis das Allianzwappen des englischen Katholiken Sir Humphry de Trafford prangt (€ 7.000 – 9.000).

Aus Holz geschnitzt und mit Stuckauflage versehen, wurde das anschließend Gold gefasste Prunkgestell eines mit 71 cm Durchmesser außergewöhnlich großen Bibliotheksglobus aus 1871. Er wurde 1871 von C. Adami und H. Kiepert in Berlin als „Erdglobus“ hergestellt und zeigt unter anderem „Dampfbootcourse, Segelcourse, Europ. americ. Handels-Häfen in Ost Asien“, Entdeckungen um den Südpol nach Cook, Ross, Bellingshausen und anderer Entdeckungen (€ 30.000 – 50.000).

Auch manche Möbel tragen Gold: Kunstvolle vergoldete Schubladengriffe und verzierte Schlüssellöcher zieren einen barocken Schreibaufsatzschrank aus dem Venedig des 18. Jahrhunderts (€ 20.000 – 30.000),  ein Paar klassizistische Konsoltische aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigen Goldappliken und vergoldete antikisierende Frauenköpfe (€ 30.000 – 40.000).

 

AUKTIONSWOCHE 21. BIS 23. OKTOBER 2014
Alte Meister Dienstag, 21. Oktober 2014 17 Uhr
Antiquitäten (Möbel, Skulpturen, Glas, Porzellan) Mittwoch, 22. Oktober 2014 14 Uhr
Juwelen Donnerstag, 23. Oktober 2014 14 Uhr
Gemälde des 19. Jahrhunderts Donnerstag, 23. Oktober 2014 17 Uhr
Ort Palais Dorotheum, Wien 1, Dorotheergasse 17
Besichtigung ab Samstag, 11.Oktober 2014


Bildmaterial:

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