Lot Nr. 22


Francesco Ubertini, gen. Bachiacca


Francesco Ubertini, gen. Bachiacca - Alte Meister

(Florenz 1494–1557)
Die Predigt des heiligen Johannes des Täufers,
Öl auf Holz, 77,5 x 60 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Solbiati, Busto Arsizio,Varese;
dort vom heutigen Besitzer erworben

Das vorliegende Gemälde zeigt Johannes den Täufer vor einer Gruppe von Männern und Frauen. Der Heilige, der das für ihn typische Fellgewand trägt, steht im Zentrum der Komposition; die Figuren sind in einem Kreis um ihn herum angeordnet. Den rechten Arm hat er zur Predigt des Wortes Christi erhoben, in der Linken hält er als eines seiner Attribute den Kreuzstab. In der Menge befinden sich zu seiner Rechten eine Gruppe Männer, zu seiner Linken Frauen und Kinder. Einige lauschen aufmerksam der Predigt des Täufers, andere sind durch die eigenen Gespräche abgelenkt. Der Hintergrund wird von einem bewachsenen Felsvorsprung beherrscht, der sich zu einer die Silhouette des Täufers umrahmenden Höhle öffnet. Dahinter wird zu seiner Linken der Ausblick auf eine Berglandschaft freigegeben.

Der Bildaufbau, die Typologisierung der dargestellten Personen, die leuchtenden Farben und der Landschaftstypus weisen das Bild als ein Werk der Familie Ubertini aus, die im 16. Jahrhundert in Florenz tätig war. Zu ihren Künstlern gehörten drei Brüder, Söhne des Goldschmieds Francesco d’Ubertino Verdi; sie erhielten den Beinamen „Bachiacca“ nach dem Ältesteten Bartolomeo, genannt Baccio (1484–1526/1529), der höchstwahrscheinlich zuerst Schüler und dann Mitarbeiter von Pietro Perugino war. Möglicherweise wurde der bekannteste der drei Brüder, Francesco (1494–1557), um 1505 durch ihn in Peruginos Werkstatt eingeführt. Das jüngste Familienmitglied, Antonio (1499–1572), wurde von Vasari als „eccellente ricamatore“ [„hervorragender Sticker“] beschrieben. Er war am Hof der Medici tätig und wurde so sehr geschätzt, dass er prestigeträchtige Aufträge erhielt, darunter 1565 die Ausführung des Hochzeitsbettes Francesco de’ Medicis, des Sohns von Cosimo und Johanna von Österreich, nach Entwürfen seines Bruders Francesco.

Um 1515, nach seiner ersten Ausbildung in der Werkstatt Peruginos, zog es Francesco Bachiacca in den Kreis Andrea del Sartos, mit dem er neben Francesco Granacci, Franciabigio und Pontormo bei der berühmten Ausstattung der Camera Borgherini und der Anticamera Benintendi zusammenarbeitete. Seine Tätigkeit blieb jedoch an seinen Bruder Baccio gebunden, bis dieser verstarb. Danach trat Francesco in den Dienst der Medici und wirkte an der Gestaltung der ephemeren Hochzeitsdekorationen für Cosimo und Eleanora von Toledo mit; später führte er seinen Bruder Antonio bei Hofe ein. Das bildnerische Schaffen Francescos zeichnet such durch zahlreiche Einflüsse aus, die zu höchst eigenwilligen eklektizistischen Kompositionen zusammenflossen. Zuweilen muten sie archaisch an, indem sie sich auf den Geschmack des Quattrocento berufen. In Francescos Werken verbinden sich Bezugnahmen auf die führenden Vertreter der frühen Florentiner Malerei des Cinquecento wie Raffael, Fra Bartolomeo, Mariotto Albertinelli, Franciabigio und Andrea del Sarto, aber auch auf Leonardo und Michelangelo, dessen gefeierte Schlachenkartons er studieren konnte, mit kulturellen Einflüssen aus dem Norden, die ihm durch die Stiche Albrecht Dürers und Lucas van Leydens vermittelt wurden.

Auch in dieser offenbar bisher unpublizierten Predigt des heiligen Johannes des Täufers treten viele dieser Inspiratioinsquellen zutage, was besonders von der damaligen geistigen Elite geschätzt wurde. Bereits zuvor hatte sich Francesco dem Thema gewidmet, in Form eines kompositorisch artikulierteren Querformats (Museum der Schönen Künste, Budapest; siehe R. G. La France, Bachiacca. Artist of the Medici Court, Florenz 2008, S. 158, Nr. 20, Abb. 9); ein weiteres Beispiel mit einer Zuschreibung an die Verdi-Werkstatt befindet sich in einer Privatsammlung (siehe R. G. La France, ebd., S. 298, Nr. 151, Abb. 96).

Das vorliegende Gemälde lässt die typische Arbeitsweise der Bachiacca-Werkstatt erkennen: die Verwendung von Kartons, die es erlaubte, dieselben Bildelemente auch für andere Werken zu übernehmen, und bisweilen der Einsatz des von Perugino herrührenden Kontraposts. Die beiden sitzenden Männer im linken Vordergrund kehren in der Tat in derselben Position auf dem Bild Die Legende vom toten König (Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden; siehe R. G. La France, ebd., S. 176, Nr. 32, Tafel XX), das zum Benintendi-Zyklus gehörte. Der jüngere der beiden Männer ist bis auf die Farbe der Kleidung und des Hutes sogar identisch mit der Figur des Dresdener Bildes, nur hält er statt der Pergamentrolle ein Buch. Die Figur neben ihm unterscheidet sich vom Dresdener Bild durch den längeren Bart und kleine Veränderungen in Gewanddetails. Die erste Figur findet sich außerdem leicht abgewandelt in dem Gemälde Der Mannaregen in der National Gallery, Washington (siehe R. G. La France, ebd., S. 216, Nr. 62, Tafel XLIX).

Technische Untersuchung
Die technische Untersuchung bestätigt den guten Erhaltungszustand und die hohe Qualität des vorliegenden Gemäldes. In der Infrarotreflektografie zeigt sich in vielen Bereichen eine mit einem spitzen schwarzen Zeichenmittel (vermutlich schwarzer Kreide) ausgeführte Unterzeichnung. Auf einer Seite des Gemäldes findet sich eine detaillierte Umrisszeichnung mit feinen Schraffuren im Bereich einiger Figuren und Landschaftsdetails. Die Schraffur verdichtet sich in den tieferen Schatten und der Kleidung, während sie sich in den Halbschatten und vor allem in der Landschaft lichtet.

Diese Merkmale der Unterzeichnung lassen sich mit vielen auf Papier ausgeführten Studien Bachiaccas vergleichen, von denen einige ebenfalls mit schwarzer Kreide gezeichnet sind. Sie zeigen dieselbe in unterschiedliche Richtungen laufende Schraffur, dieselbe Flüssigkeit in der Darstellung der Kleidung und dieselbe Betonung von Details wie Händen und zuweilen Gesichtern. Diese Herangehensweise findet sich auch in seinen Zeichnungen in der Pierpont Morgan Library und in den Uffizien. 

Bei einigen Figuren des Gemäldes sind Lochspuren oder zuweilen etwas zittrige Umrisse in der Unterzeichnung feststellbar, was auf die Verwendung eines fein gezahnten Pausrädchens hinweist. Derartige Spuren finden sich auch unterhalb des roten Mantels des links sitzenden Mannes: Der für diese und die daneben befindliche Figur verwendete Karton ist vermutlich identisch mit jenem, der für die Männergestalten im linken Bildbereich des Gemäldes Die Legende vom toten König (Gemäldegalerie, Dresden) zum Einsatz kam. Die Ausmaße der Figur im gelben Mantel des Dresdener Bildes sind mit der Figur des vorliegenden Gemäldes vergleichbar.

Die Verwendung des Pausrädchens für die Übertragung von Bachiaccas Vorzeichnungen ist beispielsweise mit dem Blatt des Mucius Scaevola im British Museum belegt. Die Farbigkeit ist auf kalten Tönen aufgebaut, die von blauem Azurit für den Himmel, die Landschaft und einige blaue und violette Gewänder dominiert wird. Azurit wurde zur Erzielung der gräulichen Töne der Felsen auch mit Bleiweiß und Ocker vermischt.

Farblich zeigen sich Gemeinsamkeiten mit dem schon erwähnten Gemälde Die Legende vom toten König und zum Teil auch mit einer Taufe Christi (Gemäldegalerie, Berlin). Zu den weiteren Pigmenten zählen Grünspan (auch mit Gelb vermischt), bleibasiertes Gelb, Zinnober, Ocker und Rotlacke auf Karmin- und Krappbasis. Karminlack kommt vermischt mit Azurit für die Violetttöne und den rosaroten Mantel des Johannes zum Einsatz, Krapplack für den Mantel des Mannes links und die rote Kappe der Frau rechts.

Wir danken Gianluca Poldi für die Durchführung der technischen Untersuchung.

25.04.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 295.800,-
Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 150.000,-

Francesco Ubertini, gen. Bachiacca


(Florenz 1494–1557)
Die Predigt des heiligen Johannes des Täufers,
Öl auf Holz, 77,5 x 60 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Solbiati, Busto Arsizio,Varese;
dort vom heutigen Besitzer erworben

Das vorliegende Gemälde zeigt Johannes den Täufer vor einer Gruppe von Männern und Frauen. Der Heilige, der das für ihn typische Fellgewand trägt, steht im Zentrum der Komposition; die Figuren sind in einem Kreis um ihn herum angeordnet. Den rechten Arm hat er zur Predigt des Wortes Christi erhoben, in der Linken hält er als eines seiner Attribute den Kreuzstab. In der Menge befinden sich zu seiner Rechten eine Gruppe Männer, zu seiner Linken Frauen und Kinder. Einige lauschen aufmerksam der Predigt des Täufers, andere sind durch die eigenen Gespräche abgelenkt. Der Hintergrund wird von einem bewachsenen Felsvorsprung beherrscht, der sich zu einer die Silhouette des Täufers umrahmenden Höhle öffnet. Dahinter wird zu seiner Linken der Ausblick auf eine Berglandschaft freigegeben.

Der Bildaufbau, die Typologisierung der dargestellten Personen, die leuchtenden Farben und der Landschaftstypus weisen das Bild als ein Werk der Familie Ubertini aus, die im 16. Jahrhundert in Florenz tätig war. Zu ihren Künstlern gehörten drei Brüder, Söhne des Goldschmieds Francesco d’Ubertino Verdi; sie erhielten den Beinamen „Bachiacca“ nach dem Ältesteten Bartolomeo, genannt Baccio (1484–1526/1529), der höchstwahrscheinlich zuerst Schüler und dann Mitarbeiter von Pietro Perugino war. Möglicherweise wurde der bekannteste der drei Brüder, Francesco (1494–1557), um 1505 durch ihn in Peruginos Werkstatt eingeführt. Das jüngste Familienmitglied, Antonio (1499–1572), wurde von Vasari als „eccellente ricamatore“ [„hervorragender Sticker“] beschrieben. Er war am Hof der Medici tätig und wurde so sehr geschätzt, dass er prestigeträchtige Aufträge erhielt, darunter 1565 die Ausführung des Hochzeitsbettes Francesco de’ Medicis, des Sohns von Cosimo und Johanna von Österreich, nach Entwürfen seines Bruders Francesco.

Um 1515, nach seiner ersten Ausbildung in der Werkstatt Peruginos, zog es Francesco Bachiacca in den Kreis Andrea del Sartos, mit dem er neben Francesco Granacci, Franciabigio und Pontormo bei der berühmten Ausstattung der Camera Borgherini und der Anticamera Benintendi zusammenarbeitete. Seine Tätigkeit blieb jedoch an seinen Bruder Baccio gebunden, bis dieser verstarb. Danach trat Francesco in den Dienst der Medici und wirkte an der Gestaltung der ephemeren Hochzeitsdekorationen für Cosimo und Eleanora von Toledo mit; später führte er seinen Bruder Antonio bei Hofe ein. Das bildnerische Schaffen Francescos zeichnet such durch zahlreiche Einflüsse aus, die zu höchst eigenwilligen eklektizistischen Kompositionen zusammenflossen. Zuweilen muten sie archaisch an, indem sie sich auf den Geschmack des Quattrocento berufen. In Francescos Werken verbinden sich Bezugnahmen auf die führenden Vertreter der frühen Florentiner Malerei des Cinquecento wie Raffael, Fra Bartolomeo, Mariotto Albertinelli, Franciabigio und Andrea del Sarto, aber auch auf Leonardo und Michelangelo, dessen gefeierte Schlachenkartons er studieren konnte, mit kulturellen Einflüssen aus dem Norden, die ihm durch die Stiche Albrecht Dürers und Lucas van Leydens vermittelt wurden.

Auch in dieser offenbar bisher unpublizierten Predigt des heiligen Johannes des Täufers treten viele dieser Inspiratioinsquellen zutage, was besonders von der damaligen geistigen Elite geschätzt wurde. Bereits zuvor hatte sich Francesco dem Thema gewidmet, in Form eines kompositorisch artikulierteren Querformats (Museum der Schönen Künste, Budapest; siehe R. G. La France, Bachiacca. Artist of the Medici Court, Florenz 2008, S. 158, Nr. 20, Abb. 9); ein weiteres Beispiel mit einer Zuschreibung an die Verdi-Werkstatt befindet sich in einer Privatsammlung (siehe R. G. La France, ebd., S. 298, Nr. 151, Abb. 96).

Das vorliegende Gemälde lässt die typische Arbeitsweise der Bachiacca-Werkstatt erkennen: die Verwendung von Kartons, die es erlaubte, dieselben Bildelemente auch für andere Werken zu übernehmen, und bisweilen der Einsatz des von Perugino herrührenden Kontraposts. Die beiden sitzenden Männer im linken Vordergrund kehren in der Tat in derselben Position auf dem Bild Die Legende vom toten König (Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden; siehe R. G. La France, ebd., S. 176, Nr. 32, Tafel XX), das zum Benintendi-Zyklus gehörte. Der jüngere der beiden Männer ist bis auf die Farbe der Kleidung und des Hutes sogar identisch mit der Figur des Dresdener Bildes, nur hält er statt der Pergamentrolle ein Buch. Die Figur neben ihm unterscheidet sich vom Dresdener Bild durch den längeren Bart und kleine Veränderungen in Gewanddetails. Die erste Figur findet sich außerdem leicht abgewandelt in dem Gemälde Der Mannaregen in der National Gallery, Washington (siehe R. G. La France, ebd., S. 216, Nr. 62, Tafel XLIX).

Technische Untersuchung
Die technische Untersuchung bestätigt den guten Erhaltungszustand und die hohe Qualität des vorliegenden Gemäldes. In der Infrarotreflektografie zeigt sich in vielen Bereichen eine mit einem spitzen schwarzen Zeichenmittel (vermutlich schwarzer Kreide) ausgeführte Unterzeichnung. Auf einer Seite des Gemäldes findet sich eine detaillierte Umrisszeichnung mit feinen Schraffuren im Bereich einiger Figuren und Landschaftsdetails. Die Schraffur verdichtet sich in den tieferen Schatten und der Kleidung, während sie sich in den Halbschatten und vor allem in der Landschaft lichtet.

Diese Merkmale der Unterzeichnung lassen sich mit vielen auf Papier ausgeführten Studien Bachiaccas vergleichen, von denen einige ebenfalls mit schwarzer Kreide gezeichnet sind. Sie zeigen dieselbe in unterschiedliche Richtungen laufende Schraffur, dieselbe Flüssigkeit in der Darstellung der Kleidung und dieselbe Betonung von Details wie Händen und zuweilen Gesichtern. Diese Herangehensweise findet sich auch in seinen Zeichnungen in der Pierpont Morgan Library und in den Uffizien. 

Bei einigen Figuren des Gemäldes sind Lochspuren oder zuweilen etwas zittrige Umrisse in der Unterzeichnung feststellbar, was auf die Verwendung eines fein gezahnten Pausrädchens hinweist. Derartige Spuren finden sich auch unterhalb des roten Mantels des links sitzenden Mannes: Der für diese und die daneben befindliche Figur verwendete Karton ist vermutlich identisch mit jenem, der für die Männergestalten im linken Bildbereich des Gemäldes Die Legende vom toten König (Gemäldegalerie, Dresden) zum Einsatz kam. Die Ausmaße der Figur im gelben Mantel des Dresdener Bildes sind mit der Figur des vorliegenden Gemäldes vergleichbar.

Die Verwendung des Pausrädchens für die Übertragung von Bachiaccas Vorzeichnungen ist beispielsweise mit dem Blatt des Mucius Scaevola im British Museum belegt. Die Farbigkeit ist auf kalten Tönen aufgebaut, die von blauem Azurit für den Himmel, die Landschaft und einige blaue und violette Gewänder dominiert wird. Azurit wurde zur Erzielung der gräulichen Töne der Felsen auch mit Bleiweiß und Ocker vermischt.

Farblich zeigen sich Gemeinsamkeiten mit dem schon erwähnten Gemälde Die Legende vom toten König und zum Teil auch mit einer Taufe Christi (Gemäldegalerie, Berlin). Zu den weiteren Pigmenten zählen Grünspan (auch mit Gelb vermischt), bleibasiertes Gelb, Zinnober, Ocker und Rotlacke auf Karmin- und Krappbasis. Karminlack kommt vermischt mit Azurit für die Violetttöne und den rosaroten Mantel des Johannes zum Einsatz, Krapplack für den Mantel des Mannes links und die rote Kappe der Frau rechts.

Wir danken Gianluca Poldi für die Durchführung der technischen Untersuchung.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 25.04.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.04. - 25.04.2017


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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