Lot Nr. 120


Marcantonio Franceschini


Marcantonio Franceschini - Alte Meister

(Bologna 1648–1729)
Aeneas und Lavinia,
Öl auf geformter Leinwand, 168,5 x 187,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Bologna

Wir danken Daniele Benati, der die Zuschreibung des gegenständlichen Gemäldes auf Grundlage einer hochaufgelösten Digitalfotografie bestätigt hat.

Das vorliegende Gemälde ist ein Frühwerk Marcantonio Franceschinis, eines der in den letzten Jahrzehnten des 17. und ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts gefeiertsten Maler Bolognas. Aufgrund der besonderen Form der Leinwand wurde das Gemälde wahrscheinlich in Auftrag gegeben, um eine Lünette zu schmücken oder um über dem Portal eines aristokratischen Palasts angebracht zu werden.

Das Gemälde stellt eine Episode aus dem Mythos der Gründung Roms dar: König Latinus bietet Aeneas, der vor Kurzem an der Küste Latiums gelandet ist, die Hand seiner Tochter Lavinia an. Sie ist jedoch bereits Turnus, dem König der Rutuli, versprochen. Einigen antiken Quellen zufolge war es diese Episode, die den Krieg zwischen der örtlichen Bevölkerung und den neu angekommenen Trojanern auslöste. Im Zentrum der Komposition fängt Franceschini jenen Augenblick ein, in dem sich die zukünftige Braut und der zukünftige Bräutigam mit Billigung von König Latinus treffen, während der Leichnam von Turnus links im Vordergrund ausgestreckt daliegt. Im Hintergrund links besetzen Soldaten eine befestigte Stadt, während man rechts ein Zeltlager sieht. Die sorgfältig ausgewogene Komposition der Szene, ihre formale Ruhe und ihr klassisches Maß sind stilistische Merkmale des Schaffens des Künstlers, einschließlich der Werke seiner späten Reifezeit wie Abels Tod in der Pinacoteca Nazionale in Bologna. Die Figurentypen zeigen bereits ein erstes Ergebnis von Franceschinis Suche nach der idealen Pose seiner Figuren; der Künstler sollte ein Repertoire von Handlungen charakterisierenden Haltungen entwickeln, das er durch Rückgriff auf sorgfältige Studien nach dem Leben an unterschiedliche Zusammenhänge anzupassen vermochte. So verarbeitet er etwa im Bild von Turnus’ Leichnam das des schlafenden Ismael des Gemäldes Hagar und Ismael in der Wüste (Galleria Nazionale di Palazzo Spinola, Genua), das er wiederum aus dem Motiv einer liegenden Figur entwickelt hatte, der man in Domenichinos Tod des Adonis im Palazzo Farnese in Rom begegnet (siehe D. Miller, Marcantonio Franceschini, Turin 2001, S. 10f. und S. 196–198, Anm. 95).

Seine Ausbildung erhielt Marcantonio Franceschini an der Schule von Giovanni Maria Galli, genannt Bibiena, in seiner Geburtsstadt. Danach trat er in die Werkstatt Carlo Cignanis ein, dem er bei der Ausführung zahlreicher Fresken als Gehilfe zur Seite stand. Zudem setzte Franceschini wie im Fall der Mythologien im Palazzo Ducale del Giardino in Parma zuweilen auch gemeinsam mit anderen Künstlern wie Luigi Quaini die Kartons seines Meisters in Freskenzyklen um. Ab den 1680er-Jahren leitete Franceschini seine eigene Werkstatt und übernahm zahlreiche Aufträge für Fresken in den Palästen des Bologneser Adels. In diesen Werken gelangte er mit seiner Bildsprache – Domenichino folgend, dessen Einfluss für sein gesamtes Schaffen bestimmend bleiben sollte – zu größerer formaler Reinheit. Franceschini war von gelegentlichen Besuchen Genuas und Roms abgesehen vor allem in der Emilia tätig und aktiv an der Gründung der Accademia Clementina in Bologna beteiligt, die 1710 eröffnete.

24.04.2018 - 17:00

Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Marcantonio Franceschini


(Bologna 1648–1729)
Aeneas und Lavinia,
Öl auf geformter Leinwand, 168,5 x 187,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Bologna

Wir danken Daniele Benati, der die Zuschreibung des gegenständlichen Gemäldes auf Grundlage einer hochaufgelösten Digitalfotografie bestätigt hat.

Das vorliegende Gemälde ist ein Frühwerk Marcantonio Franceschinis, eines der in den letzten Jahrzehnten des 17. und ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts gefeiertsten Maler Bolognas. Aufgrund der besonderen Form der Leinwand wurde das Gemälde wahrscheinlich in Auftrag gegeben, um eine Lünette zu schmücken oder um über dem Portal eines aristokratischen Palasts angebracht zu werden.

Das Gemälde stellt eine Episode aus dem Mythos der Gründung Roms dar: König Latinus bietet Aeneas, der vor Kurzem an der Küste Latiums gelandet ist, die Hand seiner Tochter Lavinia an. Sie ist jedoch bereits Turnus, dem König der Rutuli, versprochen. Einigen antiken Quellen zufolge war es diese Episode, die den Krieg zwischen der örtlichen Bevölkerung und den neu angekommenen Trojanern auslöste. Im Zentrum der Komposition fängt Franceschini jenen Augenblick ein, in dem sich die zukünftige Braut und der zukünftige Bräutigam mit Billigung von König Latinus treffen, während der Leichnam von Turnus links im Vordergrund ausgestreckt daliegt. Im Hintergrund links besetzen Soldaten eine befestigte Stadt, während man rechts ein Zeltlager sieht. Die sorgfältig ausgewogene Komposition der Szene, ihre formale Ruhe und ihr klassisches Maß sind stilistische Merkmale des Schaffens des Künstlers, einschließlich der Werke seiner späten Reifezeit wie Abels Tod in der Pinacoteca Nazionale in Bologna. Die Figurentypen zeigen bereits ein erstes Ergebnis von Franceschinis Suche nach der idealen Pose seiner Figuren; der Künstler sollte ein Repertoire von Handlungen charakterisierenden Haltungen entwickeln, das er durch Rückgriff auf sorgfältige Studien nach dem Leben an unterschiedliche Zusammenhänge anzupassen vermochte. So verarbeitet er etwa im Bild von Turnus’ Leichnam das des schlafenden Ismael des Gemäldes Hagar und Ismael in der Wüste (Galleria Nazionale di Palazzo Spinola, Genua), das er wiederum aus dem Motiv einer liegenden Figur entwickelt hatte, der man in Domenichinos Tod des Adonis im Palazzo Farnese in Rom begegnet (siehe D. Miller, Marcantonio Franceschini, Turin 2001, S. 10f. und S. 196–198, Anm. 95).

Seine Ausbildung erhielt Marcantonio Franceschini an der Schule von Giovanni Maria Galli, genannt Bibiena, in seiner Geburtsstadt. Danach trat er in die Werkstatt Carlo Cignanis ein, dem er bei der Ausführung zahlreicher Fresken als Gehilfe zur Seite stand. Zudem setzte Franceschini wie im Fall der Mythologien im Palazzo Ducale del Giardino in Parma zuweilen auch gemeinsam mit anderen Künstlern wie Luigi Quaini die Kartons seines Meisters in Freskenzyklen um. Ab den 1680er-Jahren leitete Franceschini seine eigene Werkstatt und übernahm zahlreiche Aufträge für Fresken in den Palästen des Bologneser Adels. In diesen Werken gelangte er mit seiner Bildsprache – Domenichino folgend, dessen Einfluss für sein gesamtes Schaffen bestimmend bleiben sollte – zu größerer formaler Reinheit. Franceschini war von gelegentlichen Besuchen Genuas und Roms abgesehen vor allem in der Emilia tätig und aktiv an der Gründung der Accademia Clementina in Bologna beteiligt, die 1710 eröffnete.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 24.04.2018 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.04. - 24.04.2018