Lot Nr. 12


Antwerpener Meister, um 1590


Antwerpener Meister, um 1590 - Alte Meister

Der büßende heilige Hieronymus,
Öl auf Holz, 109 x 76 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Sotheby’s, Amsterdam, 14. Mai 2002, Lot 34 (als Antwerpener Schule, 1. Hälfte 17. Jahrhundert);
erworben durch den jetzigen Besitzer

Ausgestellt:
Aachen, Suermondt-Ludwig-Museum, Leihgabe, 2009–2019 (als Frans Badens)

vorliegende Tafel mit einer Darstellung des heiligen Hieronymus von bis dato unbekannter Hand fällt durch den feinen grafischen Stil, der in der Wiedergabe von Bart und Haar des Heiligen sowie im weichen Helldunkel seines Körpers zum Ausdruck kommt, ins Auge. Das auch aufgrund seines schönen Erhaltungszustands bemerkenswerte Gemälde tauchte zum ersten Mal 2002 in einer Auktion in Amsterdam als Werk der Antwerpener Schule mit einer Datierung in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts auf. Doch sowohl die von Peter Klein durchgeführte dendrochronologische Untersuchung der Eichentafel als auch das seltene geritzte Zeichen des Tafelmachers Guilliam Aertssen bestätigen eine frühere Entstehungszeit in den späten 1590er-Jahren.

Jørgen Wadum hat die Initialen CA oder GA des Tafelmacher-Zeichens als die von Guilliam Aertssen identifiziert und erkannt, dass die Marke geritzt und nicht gebrannt wurde, was sehr selten vorkam. Nur drei weitere Gemälde mit ähnlich geritztem Zeichen, die allesamt aus dem späten 16. Jahrhundert datieren, sind heute bekannt: der Kalvarienberg in der Kathedrale von Auxerre sowie eine Christi Geburt und eine weitere Tafel, die sich beide in Privatsammlungen befinden. Jüngste archivalische Recherchen haben bestätigt, dass Guilliam Aertssen vermutlich 1579 in Antwerpen geboren wurde und dass er dort ab den 1590er-Jahren bis etwa 1638 als Meistertafel- und -rahmenmacher tätig war. 1617 gehörte Aertssen zu jenen Tafelmachern, die als Unterzeichner einer Petition von der Gilde der Tafelmacher eine Regulierung und Qualitätssicherung für die Antwerpener Tafeln forderten. Dies setzte einen Standardisierungsprozess hinsichtlich der Formate und Qualitäten in Gang, wobei jede Tafel von der Gilde kontrolliert und nach Freigabe mit dem Brandzeichen in Form des Antwerpener Stadtwappens gemarkt wurde. Das geritzte Zeichen, das bei der vorliegenden Tafel Verwendung fand, geht diesen Bestimmungen voraus und erscheint daher nicht in Verbindung mit dem Wappen von Antwerpen. Die jüngsten Erkenntnisse über Aertssen werden in einer in Vorbereitung befindlichen Publikation veröffentlicht (I. Moortgat, J. Wadum, An Enigmatic Panel Maker from Antwerp and His Supply to the Brueghels, in: The Brueghel Success Story, Symposium XXI for the Study of Underdrawing and Technology in Painting, Brüssel 2018).

Die dendrochronologische Untersuchung der Eichentafel wurde im Dezember 2019 von Peter Klein vorgenommen. Sie bestätigte die Herkunft des Eichenholzes aus Polen bzw. dem Baltikum. Der jüngste Ring datiert aus 1573, was ein Entstehungsdatum frühestens ab 1584 annehmen lässt.

Der vorliegende Heilige Hieronymus ist somit eine seltene, fein ausgeführte Darstellung des Heiligen, die in der letzten Dekade des 16. Jahrhunderts in Antwerpen entstanden ist und damit den Interpretationen des Bildthemas durch Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck von 1612/1615 bzw.1615/1616, heute in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden bzw. in den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein, um etwa fünfzehn Jahre vorausgeht. In der ganzfigurigen Profilansicht des Heiligen werden diese späteren Bildfindungen hier vorweggenommen. Sie markiert den Übergang von den früheren Darstellungen des Heiligen als Gelehrter – eingeführt durch Albrecht Dürer mit seinem heute in Lissabon befindlichen Gemälde von 1521 und in der Folge wiederholt von Joos van Cleve und Jan Sanders van Hemessen in deren zahlreichen Darstellungen des Heiligen aus der ersten Jahrhunderthälfte – zur Wiedergabe des Hieronymus als Einsiedler und Büßer. Diese Veränderung war offensichtlich der Vorliebe des Barocks für Darstellungen geschuldet, mit denen man den Betrachter emotional ansprechen konnte. Der Schöpfer des vorliegenden Gemäldes konnte zwar noch nicht bestimmt werden, muss sich aber unter jenen Malern befunden haben, die im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts in Antwerpen tätig und damit Zeitgenossen von Maerten de Vos und den frühen Mitgliedern der Künstlerfamilie Francken waren.

Die Untersuchung mit Infrarotreflektografie hat eine Unterzeichnung in den Umrissen der Gestalt und des Arms des Heiligen sowie im Bereich des Totenschädels und des Löwen gezeigt.

Kopien des Berichts von Jørgen Wadum zur Marke des Tafelmachers Guilliam Aertssen vom 13. Oktober 2019 sowie des dendrochronologischen Gutachtens von Peter Klein vom 5. Dezember 2019 liegen dem vorliegenden Lot bei.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 85.300,-
Schätzwert:
EUR 25.000,- bis EUR 35.000,-

Antwerpener Meister, um 1590


Der büßende heilige Hieronymus,
Öl auf Holz, 109 x 76 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Sotheby’s, Amsterdam, 14. Mai 2002, Lot 34 (als Antwerpener Schule, 1. Hälfte 17. Jahrhundert);
erworben durch den jetzigen Besitzer

Ausgestellt:
Aachen, Suermondt-Ludwig-Museum, Leihgabe, 2009–2019 (als Frans Badens)

vorliegende Tafel mit einer Darstellung des heiligen Hieronymus von bis dato unbekannter Hand fällt durch den feinen grafischen Stil, der in der Wiedergabe von Bart und Haar des Heiligen sowie im weichen Helldunkel seines Körpers zum Ausdruck kommt, ins Auge. Das auch aufgrund seines schönen Erhaltungszustands bemerkenswerte Gemälde tauchte zum ersten Mal 2002 in einer Auktion in Amsterdam als Werk der Antwerpener Schule mit einer Datierung in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts auf. Doch sowohl die von Peter Klein durchgeführte dendrochronologische Untersuchung der Eichentafel als auch das seltene geritzte Zeichen des Tafelmachers Guilliam Aertssen bestätigen eine frühere Entstehungszeit in den späten 1590er-Jahren.

Jørgen Wadum hat die Initialen CA oder GA des Tafelmacher-Zeichens als die von Guilliam Aertssen identifiziert und erkannt, dass die Marke geritzt und nicht gebrannt wurde, was sehr selten vorkam. Nur drei weitere Gemälde mit ähnlich geritztem Zeichen, die allesamt aus dem späten 16. Jahrhundert datieren, sind heute bekannt: der Kalvarienberg in der Kathedrale von Auxerre sowie eine Christi Geburt und eine weitere Tafel, die sich beide in Privatsammlungen befinden. Jüngste archivalische Recherchen haben bestätigt, dass Guilliam Aertssen vermutlich 1579 in Antwerpen geboren wurde und dass er dort ab den 1590er-Jahren bis etwa 1638 als Meistertafel- und -rahmenmacher tätig war. 1617 gehörte Aertssen zu jenen Tafelmachern, die als Unterzeichner einer Petition von der Gilde der Tafelmacher eine Regulierung und Qualitätssicherung für die Antwerpener Tafeln forderten. Dies setzte einen Standardisierungsprozess hinsichtlich der Formate und Qualitäten in Gang, wobei jede Tafel von der Gilde kontrolliert und nach Freigabe mit dem Brandzeichen in Form des Antwerpener Stadtwappens gemarkt wurde. Das geritzte Zeichen, das bei der vorliegenden Tafel Verwendung fand, geht diesen Bestimmungen voraus und erscheint daher nicht in Verbindung mit dem Wappen von Antwerpen. Die jüngsten Erkenntnisse über Aertssen werden in einer in Vorbereitung befindlichen Publikation veröffentlicht (I. Moortgat, J. Wadum, An Enigmatic Panel Maker from Antwerp and His Supply to the Brueghels, in: The Brueghel Success Story, Symposium XXI for the Study of Underdrawing and Technology in Painting, Brüssel 2018).

Die dendrochronologische Untersuchung der Eichentafel wurde im Dezember 2019 von Peter Klein vorgenommen. Sie bestätigte die Herkunft des Eichenholzes aus Polen bzw. dem Baltikum. Der jüngste Ring datiert aus 1573, was ein Entstehungsdatum frühestens ab 1584 annehmen lässt.

Der vorliegende Heilige Hieronymus ist somit eine seltene, fein ausgeführte Darstellung des Heiligen, die in der letzten Dekade des 16. Jahrhunderts in Antwerpen entstanden ist und damit den Interpretationen des Bildthemas durch Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck von 1612/1615 bzw.1615/1616, heute in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden bzw. in den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein, um etwa fünfzehn Jahre vorausgeht. In der ganzfigurigen Profilansicht des Heiligen werden diese späteren Bildfindungen hier vorweggenommen. Sie markiert den Übergang von den früheren Darstellungen des Heiligen als Gelehrter – eingeführt durch Albrecht Dürer mit seinem heute in Lissabon befindlichen Gemälde von 1521 und in der Folge wiederholt von Joos van Cleve und Jan Sanders van Hemessen in deren zahlreichen Darstellungen des Heiligen aus der ersten Jahrhunderthälfte – zur Wiedergabe des Hieronymus als Einsiedler und Büßer. Diese Veränderung war offensichtlich der Vorliebe des Barocks für Darstellungen geschuldet, mit denen man den Betrachter emotional ansprechen konnte. Der Schöpfer des vorliegenden Gemäldes konnte zwar noch nicht bestimmt werden, muss sich aber unter jenen Malern befunden haben, die im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts in Antwerpen tätig und damit Zeitgenossen von Maerten de Vos und den frühen Mitgliedern der Künstlerfamilie Francken waren.

Die Untersuchung mit Infrarotreflektografie hat eine Unterzeichnung in den Umrissen der Gestalt und des Arms des Heiligen sowie im Bereich des Totenschädels und des Löwen gezeigt.

Kopien des Berichts von Jørgen Wadum zur Marke des Tafelmachers Guilliam Aertssen vom 13. Oktober 2019 sowie des dendrochronologischen Gutachtens von Peter Klein vom 5. Dezember 2019 liegen dem vorliegenden Lot bei.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.