Lot Nr. 224 -


Andy Warhol


Andy Warhol - Zeitgenössische Kunst I

(Pittsburgh 1928–1987 New York)
Portrait of a Lady, 1983, auf der Überlappung signiert, datiert Andy Warhol 83, Acryl und Siebdruckverfahren auf Leinwand, 101,6 x 101,6 cm, gerahmt

Provenienz:
Geschenk des Künstlers an Dorothy Blau
Privatsammlung, Minnesota
Privatsammlung, Kalifornien
Europäische Privatsammlung

Andy Warhol gilt seit den 1960er-Jahren als einer der führenden Künstler der Pop-Art. Als leidenschaftlicher Fotograf führte der Künstler seit den 1960er-Jahren bis zu seinem Tod immer wieder eine Polaroidkamera mit und fertigte Schnappschüsse von seinen Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten, von seinen Freunden und von sich selbst. Der Künstler dokumentierte auf diese Weise sein Leben und seine Begegnungen. Nicht selten entstanden anschließend auf Grundlage dieser Fotografien seine Kunstwerke, beispielsweise seine vielen Porträts.
Insbesondere die Bildgattung des Porträts zieht sich kontinuierlich durch Warhols Oeuvre und so wird der Künstler auch als Porträtist der New Yorker Gesellschaft bezeichnet. Doch nicht nur die New Yorker Gesellschaft, sondern auch Freunde, Bekannte und berühmte Persönlichkeiten, wurden von Andy Warhol fotografiert und porträtiert. Die hier gezeigte Arbeit zeigt ein ebensolches Porträt einer attraktiven, jungen Frau vor einem einfarbigen, leuchtend roten Hintergrund. Die Dame wird im seitlichen Profil dargestellt, zart dreht sie ihren Kopf nach links, sodass wir ihr Gesicht vollständig erfassen können. Der Blick des Betrachters fällt zunächst auf ihre dunklen, roten Lippen im Zentrum des Bildes. Sie lächelt dem Betrachter dezent entgegen. Und auch mit ihren Augen schaut sie ihn direkt an. Sie trägt eine Kurzhaarfrisur, die ihr linkes Ohr freilegt und den Blick auf ihren markanten goldenen Ohrclip preisgibt. Durch die Pose und die Kopfdrehung wird vor allem die Hals- und Schulterpartie der Protagonistin betont. Vor dem monochromen, roten Hintergrund wirkt ihre helle Haut fast weiß.

Die roten Lippen, der perfekte Teint, der schlanke, grazile Hals und die selbstbewusste Haltung lassen die Frau zeitlos elegant und attraktiv wirken. Zwar lässt Andy Warhol bei dem Porträt der jungen Dame nur wenige Gesichtszüge zu, dennoch reichen diese aus, um einen Wiedererkennungswert der Porträtierten zu schaffen. Die Darstellung erzeugt Neugierde beim Betrachter, man möchte wissen, wer die dargestellte Frau ist. Handelt es sich um eine Auftragsarbeit? Eine Bekannte oder Freundin von Andy Warhol? Wir können die Frage um die geheimnisvolle Dame auflösen: Es handelt sich um die Grande Dame der amerikanischen Kunstszene, um Dorothy Berenson Blau (1917-2014). Sie ist als Verfechterin der zeitgenössischen Kunst und Pionierin der Kunstszene in Miami bekannt geworden. Als Galeristin und zugleich gute Freundin von Andy Warhol war sie eine der Ersten, die seine Arbeiten in Südflorida präsentierte. Dorothy Berenson Blau nahm eine treibende Kraft in Andy Warhols Leben ein und war in den 1980er-Jahren, das heißt zur Entstehungszeit des Porträts, maßgeblich an seinem Erfolg beteiligt. Warhol porträtierte seine Gönnerin im Laufe seines Lebens mehrere Male. Die Arbeit nimmt eine signifikante Stellung innerhalb Warhol’s Porträtmalerei ein. Häufig sind seine Porträtarbeiten vielmehr skizzenhaft ausgearbeitet, anders als dieses Werk, welches durch eine kontrastreiche Pinselführung heraussticht und besonders in ihrer Plastizität überzeugen kann. Die intensive Farbgebung erzeugt eine einzigartige Anziehungskraft, die den Betrachter einfängt und in einen konstruierten Dialog führt.
Darüber hinaus erinnert ihre Darstellung an eine Ikone der Kunstgeschichte, nämlich dem Mädchen mit dem Perlenohrring des niederländischen Malers Johannes Vermeer. Insbesondere die gleiche Positionierung und der kompositorisch identische Bildaufbau lösen diese Assoziation aus. Aber auch bei näherer Betrachtung der beiden Darstellung fallen weitere Parallelen auf: In beiden Darstellungen fällt das Licht von links ein und auch die gewählte Perspektive ist identisch. Besonders auffällig ist, dass beide Frauen ein markantes Ohrgehänge tragen. Primär bei Vermeer‘s Gemälde aus dem 17. Jahrhunderts rückte der Ohrring stets in den Mittelpunkt der kunsthistorischen Erforschung des Bildes.
Durch den einfarbigen Bildhintergrund weisen beide Darstellungen keine Bildtiefe auf. Die neutralen Hintergründe lenken den Fokus auf ihre Gesichter und die markanten Ohrringe und verstärken darüber hinaus den Effekt der Helligkeit der Haut der Protagonistinnen. Dargestellt wird in beiden Darstellungen ein flüchtiger Moment. Visualisiert wird der Zwischenmoment in der Bewegung zwischen dem Zu- und Abwenden. Während die Protagonistinnen ihren Kopf über die Schulter zum Betrachter drehen, begegnen sie seinem Blick mit großen, wachen Augen.
Im Unterschied zu Warhol’s Porträt von Dorothy Berenson Blau ist nicht bekannt wer die Dargestellte auf dem Gemälde von Johannes Vermeer ist. Auch handelt es sich beim Mädchen mit dem Perlenohrring um kein klassisches Porträt im eigentlichen Sinne, sondern um ein Tronie (niederländischer Ausdruck für Kopf, Gesicht oder Gesichtsausdruck; bezeichnet eine Bildgattung in der gegenständlichen Malerei). Das heißt es handelt sich nur um eine porträtähnliche Charakterstudie. Ferner fehlen Attribute, um die Darstellung des Mädchens mit dem Perlenohrring in einem weiteren erzählerischen Kontext zu setzen.
Vergleichen wir die beiden Darstellungen miteinander, so fällt auf, dass die dargestellten Frauen beide mit dem Betrachter interagieren, sie blicken ihn direkt und unvermittelt an. Der neutrale Hintergrund und die wenigen Attribute lenken die volle Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Gesichter der porträtierten Frauen und erzeugen beim Betrachter die Neugierde herauszufinden, wer die dargestellten Frauen sind.
Inwiefern die Darstellung des Mädchens mit dem Perlenohrring von Johannes Vermeer Andy Warhol in der Konzeption des Porträts beeinflusste, wissen wir nicht, andererseits können wir davon ausgehen, dass dem Künstler das Sujet und dessen Wirkung bekannt waren und schließlich die Gestaltung des Porträts prägte. Es wäre auf jeden Fall nicht das erste Mal, dass der Künstler einen solchen kunsthistorischen Bezug herstellt. So rezipierte er beispielsweise die Motive „Mona Lisa“ von Leonardo da Vinci, „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ von Lucas Cranach dem Älteren und „Goethe in der Campagna“ von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Andy Warhol war fasziniert von Bildern, die seiner Zeit vorausgingen.

„Er gab jedem seiner Modelle das Gefühl, für diese berüchtigten ,15 Minuten’ berühmt zu sein.
Während seine alte Polaroidkamera immer wieder knipste und blitzte, fühlte man sich schön und glamourös – eine von Andys ,hübschen Frauen‘.”
Dorothy Berenson Blau

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers

petra.schaepers@dorotheum.de

23.06.2021 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 450.213,-
Schätzwert:
EUR 350.000,- bis EUR 450.000,-

Andy Warhol


(Pittsburgh 1928–1987 New York)
Portrait of a Lady, 1983, auf der Überlappung signiert, datiert Andy Warhol 83, Acryl und Siebdruckverfahren auf Leinwand, 101,6 x 101,6 cm, gerahmt

Provenienz:
Geschenk des Künstlers an Dorothy Blau
Privatsammlung, Minnesota
Privatsammlung, Kalifornien
Europäische Privatsammlung

Andy Warhol gilt seit den 1960er-Jahren als einer der führenden Künstler der Pop-Art. Als leidenschaftlicher Fotograf führte der Künstler seit den 1960er-Jahren bis zu seinem Tod immer wieder eine Polaroidkamera mit und fertigte Schnappschüsse von seinen Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten, von seinen Freunden und von sich selbst. Der Künstler dokumentierte auf diese Weise sein Leben und seine Begegnungen. Nicht selten entstanden anschließend auf Grundlage dieser Fotografien seine Kunstwerke, beispielsweise seine vielen Porträts.
Insbesondere die Bildgattung des Porträts zieht sich kontinuierlich durch Warhols Oeuvre und so wird der Künstler auch als Porträtist der New Yorker Gesellschaft bezeichnet. Doch nicht nur die New Yorker Gesellschaft, sondern auch Freunde, Bekannte und berühmte Persönlichkeiten, wurden von Andy Warhol fotografiert und porträtiert. Die hier gezeigte Arbeit zeigt ein ebensolches Porträt einer attraktiven, jungen Frau vor einem einfarbigen, leuchtend roten Hintergrund. Die Dame wird im seitlichen Profil dargestellt, zart dreht sie ihren Kopf nach links, sodass wir ihr Gesicht vollständig erfassen können. Der Blick des Betrachters fällt zunächst auf ihre dunklen, roten Lippen im Zentrum des Bildes. Sie lächelt dem Betrachter dezent entgegen. Und auch mit ihren Augen schaut sie ihn direkt an. Sie trägt eine Kurzhaarfrisur, die ihr linkes Ohr freilegt und den Blick auf ihren markanten goldenen Ohrclip preisgibt. Durch die Pose und die Kopfdrehung wird vor allem die Hals- und Schulterpartie der Protagonistin betont. Vor dem monochromen, roten Hintergrund wirkt ihre helle Haut fast weiß.

Die roten Lippen, der perfekte Teint, der schlanke, grazile Hals und die selbstbewusste Haltung lassen die Frau zeitlos elegant und attraktiv wirken. Zwar lässt Andy Warhol bei dem Porträt der jungen Dame nur wenige Gesichtszüge zu, dennoch reichen diese aus, um einen Wiedererkennungswert der Porträtierten zu schaffen. Die Darstellung erzeugt Neugierde beim Betrachter, man möchte wissen, wer die dargestellte Frau ist. Handelt es sich um eine Auftragsarbeit? Eine Bekannte oder Freundin von Andy Warhol? Wir können die Frage um die geheimnisvolle Dame auflösen: Es handelt sich um die Grande Dame der amerikanischen Kunstszene, um Dorothy Berenson Blau (1917-2014). Sie ist als Verfechterin der zeitgenössischen Kunst und Pionierin der Kunstszene in Miami bekannt geworden. Als Galeristin und zugleich gute Freundin von Andy Warhol war sie eine der Ersten, die seine Arbeiten in Südflorida präsentierte. Dorothy Berenson Blau nahm eine treibende Kraft in Andy Warhols Leben ein und war in den 1980er-Jahren, das heißt zur Entstehungszeit des Porträts, maßgeblich an seinem Erfolg beteiligt. Warhol porträtierte seine Gönnerin im Laufe seines Lebens mehrere Male. Die Arbeit nimmt eine signifikante Stellung innerhalb Warhol’s Porträtmalerei ein. Häufig sind seine Porträtarbeiten vielmehr skizzenhaft ausgearbeitet, anders als dieses Werk, welches durch eine kontrastreiche Pinselführung heraussticht und besonders in ihrer Plastizität überzeugen kann. Die intensive Farbgebung erzeugt eine einzigartige Anziehungskraft, die den Betrachter einfängt und in einen konstruierten Dialog führt.
Darüber hinaus erinnert ihre Darstellung an eine Ikone der Kunstgeschichte, nämlich dem Mädchen mit dem Perlenohrring des niederländischen Malers Johannes Vermeer. Insbesondere die gleiche Positionierung und der kompositorisch identische Bildaufbau lösen diese Assoziation aus. Aber auch bei näherer Betrachtung der beiden Darstellung fallen weitere Parallelen auf: In beiden Darstellungen fällt das Licht von links ein und auch die gewählte Perspektive ist identisch. Besonders auffällig ist, dass beide Frauen ein markantes Ohrgehänge tragen. Primär bei Vermeer‘s Gemälde aus dem 17. Jahrhunderts rückte der Ohrring stets in den Mittelpunkt der kunsthistorischen Erforschung des Bildes.
Durch den einfarbigen Bildhintergrund weisen beide Darstellungen keine Bildtiefe auf. Die neutralen Hintergründe lenken den Fokus auf ihre Gesichter und die markanten Ohrringe und verstärken darüber hinaus den Effekt der Helligkeit der Haut der Protagonistinnen. Dargestellt wird in beiden Darstellungen ein flüchtiger Moment. Visualisiert wird der Zwischenmoment in der Bewegung zwischen dem Zu- und Abwenden. Während die Protagonistinnen ihren Kopf über die Schulter zum Betrachter drehen, begegnen sie seinem Blick mit großen, wachen Augen.
Im Unterschied zu Warhol’s Porträt von Dorothy Berenson Blau ist nicht bekannt wer die Dargestellte auf dem Gemälde von Johannes Vermeer ist. Auch handelt es sich beim Mädchen mit dem Perlenohrring um kein klassisches Porträt im eigentlichen Sinne, sondern um ein Tronie (niederländischer Ausdruck für Kopf, Gesicht oder Gesichtsausdruck; bezeichnet eine Bildgattung in der gegenständlichen Malerei). Das heißt es handelt sich nur um eine porträtähnliche Charakterstudie. Ferner fehlen Attribute, um die Darstellung des Mädchens mit dem Perlenohrring in einem weiteren erzählerischen Kontext zu setzen.
Vergleichen wir die beiden Darstellungen miteinander, so fällt auf, dass die dargestellten Frauen beide mit dem Betrachter interagieren, sie blicken ihn direkt und unvermittelt an. Der neutrale Hintergrund und die wenigen Attribute lenken die volle Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Gesichter der porträtierten Frauen und erzeugen beim Betrachter die Neugierde herauszufinden, wer die dargestellten Frauen sind.
Inwiefern die Darstellung des Mädchens mit dem Perlenohrring von Johannes Vermeer Andy Warhol in der Konzeption des Porträts beeinflusste, wissen wir nicht, andererseits können wir davon ausgehen, dass dem Künstler das Sujet und dessen Wirkung bekannt waren und schließlich die Gestaltung des Porträts prägte. Es wäre auf jeden Fall nicht das erste Mal, dass der Künstler einen solchen kunsthistorischen Bezug herstellt. So rezipierte er beispielsweise die Motive „Mona Lisa“ von Leonardo da Vinci, „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ von Lucas Cranach dem Älteren und „Goethe in der Campagna“ von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Andy Warhol war fasziniert von Bildern, die seiner Zeit vorausgingen.

„Er gab jedem seiner Modelle das Gefühl, für diese berüchtigten ,15 Minuten’ berühmt zu sein.
Während seine alte Polaroidkamera immer wieder knipste und blitzte, fühlte man sich schön und glamourös – eine von Andys ,hübschen Frauen‘.”
Dorothy Berenson Blau

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers

petra.schaepers@dorotheum.de


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 23.06.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 17.06. - 23.06.2021


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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