Lot Nr. 86


Charles Mellin


(Nancy 1597–1649 Rom)
Die heilige Cäcilia,
Öl auf Leinwand, 75 x 57,5 cm, gerahmt

Provenienz:
europäischer Kunsthandel;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Wir danken Francesco Solinas, der die Zuschreibung auf Grundlage einer Fotografie vorgeschlagen hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Auf diesem Gemälde von Charles Mellin ist die heilige Cäcilia in ihrer von goldenen Wolken umgebenen Glorie dargestellt. Zu ihrer Linken steht eine zeitgenössische Viola da Gamba, der eine Kastenorgel auf der rechten Seite gegenübergestellt wurde, während zu ihren Füßen ein deutlich lesbares Notenblatt zu Boden geflattert ist. Ein an römische Skulpturenreliefs und Bilderfindungen Poussins (1694–1665) erinnernder Putto fliegt herbei, um die junge Cäcilia mit Blumen und der Märtyrerpalme zu krönen: eine lebendige Erinnerung an die klassizistischen Genien, welche die frühen Bacchanale des französischen Kollegen Mellins bevölkern.

Solinas datiert unser Werk in die Zeit zwischen 1630 und 1633. Es war für die häusliche Andacht eines wohlhabenden Privatsammlers bestimmt, wie man aus der beträchtlichen Menge Aquamarinblau schließen kann, das auf die Leinwand aufgebracht wurde, um das charakteristische prächtige Blau des Gewandes der heiligen Cäcilia zu beschreiben. Dieses kleine Andachtsbild wurde wahrscheinlich von Mellin kurz vor seinem Apollo gemalt, der sich heute in der Sammlung Motais de Narbonne in Paris befindet.

In der vorliegenden Komposition hat Mellin in der klassischen Pose der Betenden die passende Form gewählt, um Cäcilia mit geöffneten und zum Himmel gerichteten Armen zu zeigen. Die gleiche Armhaltung findet sich in einer eigenhändigen Zeichnung etwas späteren Datums im Musée des Beaux-Arts in Rennes (Inv.-Nr. 794.1.3090). Es handelt sich um die Erscheinung der Weltkugel vor dem heiligen Benedikt („Die kosmische Vision“), die Mellin im Rahmen des dem Leben des Heiligen gewidmeten Freskenzyklus in der Basilika von Montecassino (1635–1637) malte und die später im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde (siehe P. Malgouyres, Mellin à Monteccassino, in: Diaologhi di Storia dell’Arte, 4/5, 1997, S. 196–205). Figur und Stimmung des vorliegenden Gemäldes verraten auch den Einfluss Giovanni Lanfrancos (1582–1647) und, wie bereits erwähnt, Nicolas Poussins. Diese Einflüsse sind auch in anderen Werken Mellins zu beobachten, etwa in der Anfang der 1630er-Jahre gemalten Himmelfahrt Mariens, die sich heute im Museo de Arte in Ponce in Puerto Rico befindet. Ein weiterer Vergleich bietet sich in dem Heiligen Stephanus im Gebet im königlichen Palast in Madrid an (Inv.-Nr. 10141865, siehe Gonzalo Redìn Michaus (Hrsg.), Da Caravaggio a Bernini. Capolavori del Seicento italiano nelle collezioni Reali di Spagna, Ausstellungskatalog, Mailand 2017, S. 174–177, Kat.-Nr. 18).

Charles Mellin erhielt seine frühe Ausbildung um 1610–1615 in Nancy im Umkreis von Jacques Bellange (1575–1637), einem der kultiviertesten Künstler, die im späten 16. Jahrhundert am Hof Herzog Karls III. von Lothringen tätig waren. Wie andere Maler auch, die vom Hof in Nancy an jenen von Christina von Lothringen (1565–1637), der Großherzogin der Toskana, empfohlen wurden, kam Mellin 1620 nach Florenz, bevor er nach Rom und Neapel weiterreiste, wo er zwischen 1622 und 1649 tätig war. „Carlo Lorenese“, wie er in Italien genannt wurde, erreichte den Höhepunkt seiner Karriere in Rom während des Pontifikats von Urban VIII. Barberini.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

25.10.2023 - 18:00

Schätzwert:
EUR 12.000,- bis EUR 15.000,-

Charles Mellin


(Nancy 1597–1649 Rom)
Die heilige Cäcilia,
Öl auf Leinwand, 75 x 57,5 cm, gerahmt

Provenienz:
europäischer Kunsthandel;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Wir danken Francesco Solinas, der die Zuschreibung auf Grundlage einer Fotografie vorgeschlagen hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Auf diesem Gemälde von Charles Mellin ist die heilige Cäcilia in ihrer von goldenen Wolken umgebenen Glorie dargestellt. Zu ihrer Linken steht eine zeitgenössische Viola da Gamba, der eine Kastenorgel auf der rechten Seite gegenübergestellt wurde, während zu ihren Füßen ein deutlich lesbares Notenblatt zu Boden geflattert ist. Ein an römische Skulpturenreliefs und Bilderfindungen Poussins (1694–1665) erinnernder Putto fliegt herbei, um die junge Cäcilia mit Blumen und der Märtyrerpalme zu krönen: eine lebendige Erinnerung an die klassizistischen Genien, welche die frühen Bacchanale des französischen Kollegen Mellins bevölkern.

Solinas datiert unser Werk in die Zeit zwischen 1630 und 1633. Es war für die häusliche Andacht eines wohlhabenden Privatsammlers bestimmt, wie man aus der beträchtlichen Menge Aquamarinblau schließen kann, das auf die Leinwand aufgebracht wurde, um das charakteristische prächtige Blau des Gewandes der heiligen Cäcilia zu beschreiben. Dieses kleine Andachtsbild wurde wahrscheinlich von Mellin kurz vor seinem Apollo gemalt, der sich heute in der Sammlung Motais de Narbonne in Paris befindet.

In der vorliegenden Komposition hat Mellin in der klassischen Pose der Betenden die passende Form gewählt, um Cäcilia mit geöffneten und zum Himmel gerichteten Armen zu zeigen. Die gleiche Armhaltung findet sich in einer eigenhändigen Zeichnung etwas späteren Datums im Musée des Beaux-Arts in Rennes (Inv.-Nr. 794.1.3090). Es handelt sich um die Erscheinung der Weltkugel vor dem heiligen Benedikt („Die kosmische Vision“), die Mellin im Rahmen des dem Leben des Heiligen gewidmeten Freskenzyklus in der Basilika von Montecassino (1635–1637) malte und die später im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde (siehe P. Malgouyres, Mellin à Monteccassino, in: Diaologhi di Storia dell’Arte, 4/5, 1997, S. 196–205). Figur und Stimmung des vorliegenden Gemäldes verraten auch den Einfluss Giovanni Lanfrancos (1582–1647) und, wie bereits erwähnt, Nicolas Poussins. Diese Einflüsse sind auch in anderen Werken Mellins zu beobachten, etwa in der Anfang der 1630er-Jahre gemalten Himmelfahrt Mariens, die sich heute im Museo de Arte in Ponce in Puerto Rico befindet. Ein weiterer Vergleich bietet sich in dem Heiligen Stephanus im Gebet im königlichen Palast in Madrid an (Inv.-Nr. 10141865, siehe Gonzalo Redìn Michaus (Hrsg.), Da Caravaggio a Bernini. Capolavori del Seicento italiano nelle collezioni Reali di Spagna, Ausstellungskatalog, Mailand 2017, S. 174–177, Kat.-Nr. 18).

Charles Mellin erhielt seine frühe Ausbildung um 1610–1615 in Nancy im Umkreis von Jacques Bellange (1575–1637), einem der kultiviertesten Künstler, die im späten 16. Jahrhundert am Hof Herzog Karls III. von Lothringen tätig waren. Wie andere Maler auch, die vom Hof in Nancy an jenen von Christina von Lothringen (1565–1637), der Großherzogin der Toskana, empfohlen wurden, kam Mellin 1620 nach Florenz, bevor er nach Rom und Neapel weiterreiste, wo er zwischen 1622 und 1649 tätig war. „Carlo Lorenese“, wie er in Italien genannt wurde, erreichte den Höhepunkt seiner Karriere in Rom während des Pontifikats von Urban VIII. Barberini.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 25.10.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.10. - 25.10.2023